Bericht Ausländerbeirat – neue Flächen für Pharmastandort – Bau Windkraftanlagen – Bau von Schulen durch externe Firmen? – Regio- Tram/Regio-S-Bahn – Umsetzung Haushaltsplan 2023

Im alljährlichen Bericht des Ausländerbeirats gleich zu Beginn der Sitzung wurden wieder die vielfältigen Aktivitäten dieses Gremiums mit seiner 30jährigen Geschichte in Marburg sichtbar. Unter anderen: Ausstellung über die Lage iranischer und afghanischer Frauen, Spendenaktion für das Frauenhaus in Sfax. Probleme: Für die Integration von Frauen bestehen deutlich höhere Hürden als für Männer, nicht zuletzt wegen des Mangels an Ganztagseinrichtungen für Kinder. Weitere Forderungen: einfache Sprache für behördliche Aktivitäten, Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt.

Görzhausen und kein Ende?

Zum Thema Bereitstellung von Flächen für den weiteren Ausbau des Pharmastandorts mussten zwei Anträge zusammen gesehen werden: der Antrag des Magistrats zur Interkommunalen Zusammenarbeit von Marburg und der Gemeinde Lahntal. Ein im Ortsteil Goßfelden vorhandenes und weitgehend erschlossenes Industriegebiet soll gemeinsam vermarktet werden. Die Stadt Marburg bevorzugt dort Flächen für die Pharmaindustrie. Diesem Antrag wurde ohne Aussprache einstimmig stattgegeben.

Ganz anders dagegen bei dem Verlangen, im Regionalplan Mittelhessen eine Fläche zwischen dem Gewerbestandort „Görzhäuser Hof“ und Dagobertshausen als „Vorranggebiet Industrie und Gewerbe“ nachzumelden. Renate Bastian nahm für die Fraktion Die Linke Stellung. In den vergangenen Jahren hätten sich Stadtverordnete von der linken Seite des Hauses für Görzhausen I und Görzhausen II ausgesprochen, gerade weil einer strukturschwachen Region qualifizierte Arbeitsplätze fehlten. Mit der weiteren Ausweisung von Gewerbegebiet werde eine Vorentscheidung getroffen, über deren soziale und ökologische Folgen noch gar nicht nachgedacht wurde. Folgen für den notwendigen Wohnungsbau, für die soziale Infrastruktur, für den Verkehr, für den Eingriff in die Natur und nicht zuletzt für die Lebensqualität in den nächstliegenden, schon sehr belasteten Stadtteilen Michelbach und Dagobertshausen. Alle diese Fragen müssten konzeptionell und planmäßig vorab geklärt werden.

Die Koalition samt CDU/FDP/BfM schwärmten von sauberer Industrie, die beiden linken Fraktionen stimmten gegen den Antrag des Magistrats.

Sieben neue Windkraftanlagen

In einem gemeinsamen Dringlichkeitsantrag der Koalition, der Marburger Linken& Piraten und Der Linken wurde begrüßt, dass der Bau von sieben neuen Windkraftanalgen auf den Lahnbergen und Lichten Küppel in der Regie der Stadtwerke erfolgt und die Wertschöpfung in der Region bleibt. Der Linken war besonders an diesem Antrag gelegen, da die Forderung, die Windvorranggebiete Lichter Küppel und Bürgelner Gleiche in Zeiten der Klimakrise endlich für die Winderenergie durch die Stadtwerke zu nutzen, seit 2022 von der Linken erhoben worden war. Auch im Hessischen Landtag hatte die Fraktion Die Linke entsprechend Druck auf Hessenforst, den Eigentümer der Flächen, gemacht.

CDU/FDP/BfM stimmten dagegen.

Schulbauten durch externe Unternehmen?

Unbestritten hält das BiBaP (Bildungsbauprogramm) nicht das, was der Magistrat immer wieder vollmundig verspricht. Unbestritten befinden sich manche Schulen in einem stark sanierungsbedürftigen Zustand. Wie der CDU/FDP/BfB-Antrag das Heilmittel aber nun in externen privaten Firmen zu suchen, das sei der falsche Weg – so Renate Bastian. Schulen seien nicht beliebige Zweckbauten, sondern müssten pädagogisch geplant und gestaltet werden, gerade im Hinblick auf die Konzepte und Anforderungen der Ganztagsschule. Diese Aufgabe müsse in öffentlicher, kommunaler Hand bleiben, die sich allerdings eifriger rühren sollte.

Diesen Tagesordnungspunkt leitete der Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteher, Miguel Sanchez, als erster “Ausländer“, Fraktion Die Linke, sehr souverän. 

Den CDU/FDP/BfM-Antrag unterstützen die Marburger Linke&Piraten (!), die Koalition und Die Linke lehnten mit Mehrheit ab.

Regio-Tram/Regio-S-Bahn für Mittelhessen – Visionen für öffentliche Mobilität in der Region

Diesen Antrag der Fraktion Die Linke begründete Jan Schalauske. Er wies darauf hin, dass es einen großen Willen gebe, den PKW-Verkehr zugunsten von öffentlichen Verkehrsmitteln zu reduzieren, um Umweltbelastungen (Emissionen, Lärm, Abgase) zu minimieren und die Lebensqualität der Menschen in der Stadt zu erhöhen. Vielfach werde die Notwendigkeit der PKW-Nutzung mit den Berufspendelverkehren aus der Region begründet, um aus den Umlandgemeinden die Arbeitsplätze in Marburg zu erreichen. Konzepte sowohl einer Regio-Tram bzw. Regio-S-Bahn böten einen Ansatz, dass man aus den umliegenden Gemeinden mit dem Nahverkehr an bestehenden oder zu schaffenden Schienenstrecken besser in die beiden Oberzentren kommen könnte.

Schalauske sprach sich dafür aus, neben einer Stärkung des ÖPNV in Marburg „auch diese Varianten vergleichend zu prüfen, natürlich zusammen mit Gießen und bei den Landkreisen, um Vor- und Nachteile und eine Vision für öffentliche Mobilität in der Region Mittelhessen herauszuarbeiten, wie die Menschen in der Region die Oberzentren Marburg und Gießen perspektivisch besser erreichen können, ohne auf eine PKW-Nutzung angewiesen zu sein.“

Dieser Antrag fand in der StVV keine Mehrheit.

Haushaltsplan und Haushaltswirklichkeit 2023

Häufig werde in der politischen Debatte vor allem über den Haushaltsplan diskutiert, so Jan Schalauske. „Der Haushaltsplan ist die Grundlage dafür, wofür wie viel Geld ausgegeben werden SOLL. Ebenso wichtig sei aber ist aber der Vollzug, weil er Auskunft darüber gibt, wie viel Geld wofür ausgegeben worden IST.“ Da klaffen nach den Ausführungen von Jan Schalauske große Lücken.

Im Bereich Arbeit, Soziales, Wohnen seien noch nicht einmal 10 Prozent verausgabt worden. Im Bereich Bauen, Planen, Umwelt wurden nur 35 Prozent der vorgesehenen Gelder ausgegeben, für wichtige Maßnahmen der Klimaanpassung sogar Null Euro, der Fuß- und Radwegebau vollziehe sich im Schneckentempo. Trotz Klimanotstand schaffe es die Stadt bei vollen Kassen nicht, die Investitionen zu tätigen, die für den Einstieg in die sozialökologische Moderne dringend notwendig sind.

Ohne Aussprache angenommene Anträge

Richtlinie der Universitätsstadt Marburg für das Förderprogramm: „Nachhaltiges Wassermanagement - Förderung von Regentonnen“

Ausweisung des Gebietes Soldatengraben/Schülerhecke in Ockershausen als Geschützten Landschaftsbestandteil

CDU/FDP/BfM-Fraktion: Umgestaltung von Schulhofflächen zu attraktiven Bewegungsräumen

CDU/FDP/BfM-Fraktion: Nachnutzung des alten Feuerwehr-Stützpunkt Cappel u.a. für die Aufgaben des Zivil- und Katastrophenschutzes

Fraktion MarburgerLinke & PIRATEN: Bericht zu denkmalgeschützter Scheune in Dagobertshausen, Im Dorfe 7

Freundliche Grüße von der Fraktion Die Linke

Renate Bastian, Miguel Sanchez, Jan Schalauske

Am 25. März hat der ehrenamtliche Stadtrat Henning Köster im Auftrag des Magistrats zusammen mit Bettina Heiland und Michael Heiny von der Geschichtswerkstatt auf Einladung des Ruhlaer Bürgermeisters Dr. Slotosch auf den Friedhof in Thal an der Gedenkstätte für die am 25. März 1920 von Marburger Korporierten des sog. Stukoma, einer Zeitfreiwilligeneinheit der Reichswehr, in Mechterstädt ermordeten 15 Arbeiter, einen Kranz niedergelegt und ein Grußwort gesprochen.

Dabei hat er u. a. ausgeführt : 'Es gibt keinen Fatalismus einer unaufhaltsamen Rechtsentwicklung. Damals nicht und heute nicht. Es gilt zu widerstehen, sich entgegenzustellen. Keine rassistische Nebenbemerkung oder Witz, keine antisemitische, antzigane oder muslimfeindliche Äußerung im Bus, auf der Arbeit, im Verein, in der Schule, darf unwidersprochen bleiben. Es muss dabei bleiben, dass keine Zusammenarbeit mit diesen Kräften, egal auf welcher Ebene stattfindet. Und man gräbt völkischen, rassistischen, flüchtlingsfeindlichen Kräften nicht das Wasser ab, indem man fatalistisch ihre drohende Machtergreifung beschwört und ihre Thesen partiell nachbetet oder variiert in der Erwartung, ihnen damit das Wasser abzugraben. Das ist ein gefährlicher Trugschluss und schiebt nur den gesamtgesellschaftlichen Diskurs weiter nach rechts.

Vertreterbegehren zu Move35 — städtebauliche Rahmenplanung für den Bereich Beltershäuser Straße — Alten- und Pflegeheimentwicklungsplan

Move35 erregt weiter die Gemüter

Wie erwartet nahm das Vertreterbegehren, eine Form der Bürgerbefragung, eine zentrale Stellung in dieser Sitzung ein. So wurde diese Aussprache an den Beginn gesetzt. Die Fragestellung lautet: „Sind Sie dafür, dass das im Rahmen von MoVe35 beschlossene Ziel einer Halbierung des PKW-Verkehrs zugunsten anderer Verkehrsmittelnutzungen weiterhin verfolgt wird?“

Für Die Linke kritisierte Renate Bastian diese Formulierung aus dem Antrag der Grünen-Fraktion, da sie Assoziationen auf Verzicht und Einschränkung hervorrufe. Eine Formulierung, die die Chancen einer PKW-Reduzierung betont – in Bezug auf die Aufenthaltsqualität in der Stadt, in Bezug auf Stadtentwicklung und Klimaschutz – hätte Die Linke favorisiert.

Bei grundsätzlicher Unterstützung der Ziele von Move35 enthielt sich Die Linke bei diesem Antrag, der dem Anliegen der CDU – Schutzpatronin des PKW – zu sehr entgegenkomme. Ebenso die Klimaliste. Die übrigen Fraktionen stimmten zu.

Ein Begleitantrag, der die „intensive Beteiligung der Bevölkerung“ bei der Umsetzung von Maßnahmen aus Move 35 vorsieht, fand die allgemeine Zustimmung, bei Enthaltung der Klimaliste.

„Ab in den Süden“ – Konzept Beltershäuser Straße

Die Vorlage des Magistrats formuliert als Ziele: 1. Entwicklung eines nachhaltigen urbanen Stadtquartiers ohne konkurrierende Nutzungen und bestmöglicher Verzahnung mit den umliegenden Stadtgebieten, 2. Verbindung mit den urbanen Strukturen der südlichen Kernstadt, 3. Reduzierung der Trennwirkung der Beltershäuser Straße, Nutzung der Flächenpotenziale für neuen Wohnraum.

Diese Vorhaben sind ehrgeizig und haben sicherlich noch einige Hürden zu nehmen. Unter anderem muss das „Raubtier Beltershäuser Straße“ , so Jan Schalauske, gezähmt werden, damit die gefährliche Trennwirkung nicht mehr durchschlägt.

Alle waren für diese Ziele, die CDU/FDP/BfM-Fraktion stimmte dagegen.

Antrag CDU/FDP/BfM: Alten- und Pflegeheimentwicklungsplan

Hintergrund dieses Antrags war die Schließung von mehreren Betreuungseinrichtungen. Völlig zurecht ist auf Mängel bei der Pflege im stationären und ambulanten Bereich, der Palliativversorgung , betreutes Wohnen und vieles mehr hinzuweisen. Renate Bastian machte für Die Linke darauf aufmerksam, dass sich die Gruppe der Senioren in ihrer Zahl und ihren Anforderungen stark verändert hat. Dank gewerkschaftlicher und sozialer Politik werden viele Menschen deutlich älter, bleiben länger mobil und interessiert. Von daher benötigen sie neben Wohnheimbauten besonders auch für die bedeutende Phase vor einer möglichen „Heimunterbringung“ systematische Angebote, die ihnen Vorschläge für gesellschaftliche Teilhabe anbieten. Zudem bevorzugen viele Senior*innen einen Verbleib in der gewohnten sozialen Umgebung.

Ergebnis: Die Fraktionen der Koalition und Die Linke lehnten den Antrag ab, CDU/FDP/BfM stimmten zu, Marburger Linke und Pirat enthielten sich.

Antrag CDU/FDP/BfM: Hitzeschutzkonzept für Schulen und Kitas

Für Bestandsgebäude und Neubauten soll ein Konzept entwickelt werden, wie Kinder und Schüler eine adäquate Lern- und Aufenthaltssituation in den sich aufladenden Sommermonaten geboten werden kann.

Vernünftiger Ansatz, aber die Koalition verweigert sich. Aber diesmal stimmen beide linken Fraktion mit den Konservativen.

Ohne Aussprache angenommen:

Die Stadtbücherei erhält ein neues Verleihkonzept, aber keine Gebührenerhöhung.

Die Veräußerung von Grundstücken erfolgt u.a. nach Anzahl der minderjährigen Kinder des Haushalts oder niedrige zu versteuernde Haushaltseinkommen.

Anträge Marburger Linke: Inklusive Spielplätze; Bericht zur Busflotte MVG; Bericht zum Fachtag aktuelle soziale und wirtschaftliche Situation.

Antrag Koalition: Runder Tisch Tierschutz;
CDU/FDP/BfM: Gebärdendolmetscher bei öffentlichen Veranstaltungen.

Abgelehnt ohne Aussprache:

Marburger Linke: Ehrenbürgerschaft Julian Assange; CDU/FDP/BfM: Smarte Sitzbänke für Marburg.

 

Freundliche Grüße von der Fraktion Die Linke

Renate Bastian, Miguel Sanchez, Jan Schalauske