2. Finanzstruktur des Landkreises

Durch die Coronakrise spitzt sich die finanzielle Lage des Landkreises wieder deutlich zu. Dieses Jahr wird mit einem Minus von 3.500.000 Euro gerechnet. Nächstes Jahr kann man mit Defiziten bis zu 20.000.000 Euro rechnen.

In den letzten Jahren gab es zwar deutliche Überschüsse, aber diese waren nur durch ein Konjunkturhoch bedingt. Schon vor den neu hinzugekommenen Problemen zeichnete sich ein tiefgreifende Wirtschaftskrise ab, die durch eine ökonomisch und sozial falsche Steuer- und Finanzpolitik verursacht wurde. Die Bundesregierungen von Helmut Kohl über Gerhard Schröder bis hin zu Angela Merkel haben Reiche, Superreiche und Unternehmen von der Finanzierung des Gemeinwesens weitgehend freigestellt. Leider hat der Landkreis in Zeiten des Konjunkturhochs aber nicht in die Infrastruktur wie z.B. in den öffentlichen Nahverkehr oder in die medizinische Versorgung investiert, sondern im Wesentlichen die Kreisumlage weiter gesenkt.

Durch die Coronakrise werden Landkreise wieder eine Neuverschuldung in Millionenhöhe haben, insbesondere weil das Land Hessen die kommunalen Haushalte seit Jahrzehnten chronisch unterfinanziert.

Diese völlige Abhängigkeit von der Konjunktur kann nur beseitigt werden, wenn der gesellschaftliche Reichtum umFAIRteilt wird.

Forderungen nach Wiedererhebung der Vermögensteuer, einer einmaligen Vermögensabgabe, einem konsequenten Kampf gegen Steu­erflucht und Steueroasen sowie eine Steuer auf Finanzmarktgeschäfte fanden zwar im Kreistag eine Mehrheit, die Steuer- und Finanzpolitik der Hessischen Landesregierung (mit Beteiligung der Grünen) und der Bundesregierung (mit Beteiligung der SPD) wurde jedoch nicht geändert.

Eine weitere Ursache der zu erwartenden Verschuldung der Landkreise liegt auf Landesebene. Die schwarz-grüne Landesregierung verweigert den Kommunen eine bedarfsgerechte Finanzausstattung. Zudem hetzt das Land die Kommunen in einen Verteilungskampf untereinander. „Horizontaler Ausgleich“ heißt der Trick, mit dem etwas weniger arme Kommunen noch ärmeren Kommunen finanziell unter die Arme greifen müssen. Auch der Landkreis Marburg-Biedenkopf wird durch die Neuregelung zur „Geberkommune“.

Der Landkreis hat selbst keine eigenen Einnahmemöglichkeiten, sondern finanziert sich fast ausschließlich über Umlagen, die er von den Gemeinden, Städten und dem Land Hessen bekommt. Momentan profitiert er von der Steuerkraft der reichen Kommunen und Städte, aber jeder minimale Konjunktureinbruch wird Kassenkredite und Nettoneuverschuldung nach sich ziehen.

Die Überschüsse der letzten Jahre resultieren aus einer konsequenten Sparpolitik. Deren Folge sind unter anderem kaputte Straßen, nur teilweise instandgesetzte Schulen, die nicht mehr den aktuellen Brandschutzvorschriften entsprechen, geringer bis gar kein Inflationsausgleich bei sozialen Trägern und Vereinen sowie kaum getätigte Ausgaben bei freiwilligen Leistungen. Der Landkreis selbst verfügt noch nicht einmal über 2 Prozent der eigenen Finanzen — 98 Prozent seiner Ausgaben sind festgelegt.

Darüber hinaus hindern die Schuldenbremse, Schutzschirmprogram­me und sogar die Hessenkasse die kommunale Selbstverwaltung. Zwar ist der Landkreis mittlerweile fast schuldenfrei von Kassenkrediten, doch der „Schutzschirmvertrag“ mit dem Land Hessen hat den Landkreis über einige Jahre gezwungen, Überschüsse im Haushaltsvollzug ausschließlich zur Schuldentilgung zu verwenden. Alle anderen im Kreistag vertretene Parteien nehmen diese Politik fatalistisch hin und sehen keine Alternative.

Die LINKE im Landkreis setzt sich ein für:

  • eine bessere Finanzausstattung von Kommunen und Landkreisen;
  • durch die Bürger*innen, die Gemeindevertretungen und die Kreistage geänderte Rahmenbedingungen, um Handlungsspielräume für Städte, Gemeinden und Landkreise zu eröffnen. Es kann nicht sein, dass 98 Prozent aller Aufgaben des Landkreises festgelegt sind und man nur über Investitionsprogramme, Wettbewerbe und Mittel des Europäischen Sozialfonds den Landkreis gestaltet;
  • die Möglichkeit, den Investitionsstau im Landkreis auch über Kredite aufzulösen;
  • die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit, die Wiederinstandsetzung der Infrastruktur des Landkreises und die Verhinderung einer immer weiter auseinanderklaffenden Schere zwischen Arm und Reich.