Die ‚Marburger Linke‘ - Legenden und Fakten

Henning Köster

Die ‚Fraktion Die Linke‘ in der Marburger STVV ist die tatsächlich in der Tradition der Fraktion ‚PDS/Marburger Linke‘ (1997 bis 2011) und danach  ‚Marburger Linke‘ seit der Kommunalwahl 97 bis 2021 erfolgreichen Fraktion. Dies wird schon personell deutlich ,denn sie umfasst mit der Fraktionsvorsitzenden Renate Bastian (Nr.1 ), Jan Schalauske (2), dem Stadtrat Henning Köster (5 ) sowie Miguel Sanchez (6) den Kern der bei der Kommunalwahl '21 gewählten Liste.

 

Der Erfolg der Fraktion der Marburger Linke beruhte - neben ihrer inhaltlichen Kompetenz - in der unbedingten Beachtung des internen Konsensprinzips. Dieses für eine Bündnisliste unerlässliche Prinzip wurde unter Ausnutzung einer durch Nachrücker zustande gekommenen knappen Zufallsmehrheit von der von Platz 2 auf drei runtergewählten Stadtverordneten Tanja Bauder-Wöhr aus machtpolitischen Gründen im Laufe des Jahres '22 aufgekündigt. Alle internen Abstimmungen wurden mit 4 zu 3 durchgedeckelt. Damit hat sie zusammen mit Anja-Kerstin Meier-Lercher (Listenplatz 10), Inge Sturm (7) und Roland Böhm (8) die Fraktion faktisch gespalten.

Aus formalrechtlichen Gründen darf sich aber deren Fraktion weiter ‚Marburger Linke‘ nennen – inzwischen ‚Marburger Linke und Piraten‘. Das ist gezielt eingesetzter Etikettenschwindel, denn sie ist faktisch eine Bündnisliste aus DKP (Bauder-Wöhr), BSW (Sturm, Meier-Lercher (?)), Piraten (Weber) und Unorganisierten (Böhm) und umfasst inzwischen kein Mitglied der Partei Die Linke mehr.

Um diese Vorgänge zu vertuschen, scheut die Fraktionsführung auch vor Ammenmärchen und lokaler Geschichtsklitterung nicht zurück. So  gibt es seit 1996 keine Geschichte eines eigenständigen organisatorischen, personellen oder inhaltlichen Zusammenhangs einer 'Marburger Linken' jenseits der Wahlversammlungen - auch kein Statut oder Satzung. Insoweit ist es völlig verfehlt, den Eindruck zu vermitteln, als sei die PDS bzw. Die Linke bzw. deren kommunal-politische AktivistInnen ab '96 auf einen fahrenden Zug 'Marburger Linke' mit traditionsreicher Geschichte aufgesprungen.

Vielmehr hat es sich seit '97 stets um eine von der PDS und später von der Partei Die Linke beschlossene, spezifische Marburger Listenform für die Kommunalwahlen gehandelt - mit dem Ziel, über die die Liste prägenden Mitglieder der PDS bzw. 'Die Linke' hinaus Linke aus Marburg - genannt 'Marburger Linke' - mit einzubinden. Auf der Basis jahrzehntelanger, solidarischer Zusammenarbeit und unter Zurückstellung organisatorischer und/oder inhaltlicher allgemein-politischer Differenzen stellte die 'Marburger Linke' ein kommunalpolitisches Programm, welches möglichst große Teile der links Wählenden Marburgs zusammenführte und entsprechend gute Vertretung im Marburger Stadtparlament genoss.

Dieser Weg war lange Zeit erfolgreich - bis zum faktischen Bruch über die Frage der Koalition nach der Wahl '21.

Faktisch handelte es sich bis dahin immer um eine Offene Liste der PDS bzw.der Linken. Der Begriff Marburger Linke diente lediglich dazu, deutlich zu machen, dass es über die Mitglieder der PDS bzw. der Linken hinaus noch weitere Linke auf der Liste gab - symbolisch in der Regel eine Person aus diesem Spektrum auf einem vorderen Platz und dann noch einzelne chancenlose Listenplätze.

Seit die WählerInnen das dann mit beeinflussen konnten, also seit '06, ist dies übrigens in keinem Fall von den WählerInnen  zugunsten von DKP-KandidatInnen verändert worden - zuletzt noch wurde die jetztige Fraktionsvorsitzende der Marburger Linke und Piraten, Tanja Bauder-Wöhr von 2 auf 3 runtergewählt - zugunsten von Jan Schalauske (Die Linke).

Die Wahlkämpfe und ihre Erfolge wären ohne eine Partei, die parallel dazu über weite Strecke sich auch landes- und bundespolitisch erfolgreich entwickelte  - zunächst die PDS, dann Die Linke - ohne ihre Gelder, ihre aktiven Mitglieder, ihr hauptamtliches Personal und ihre langjährige organiatorische Erfahrung überhaupt nicht denkbar gewesen.

 

Henning Köster

 

Stadtrat

 

Stadtverordneter der Fraktion PDS/Marburger Linke von 1997 bis  2006 und nach Gründung der Partei Die Linke der Fraktion ‚Marburger Linke‘ von 2011 bis 2021, danach Stadtrat.