Das Programm der Marburger Linken zur Kommunalwahl 2021
Soziale Gerechtigkeit ist für die Marburger Linke das Kernthema. Bei allen politischen Vorhaben wie Verkehrswende, sozialer Wohnungsbau oder Bekämpfung der Klimakrise steht im Zentrum, dass die Umsetzung sozial gerecht ist und der großen Mehrheit der Menschen in dieser Stadt nützt. In einer stadtweiten Befragung 2017 maßen viele Menschen den sozialen Aufgaben große Bedeutung bei. Dazu gehören die Unterstützung älterer Menschen und Menschen mit Behinderung, Hilfe bei der Pflege von Angehörigen und die Bekämpfung von Armut.
In einem „Kommunalpolitischen Ratschlag“, den die Marburger Linke Mitte September 2020 veranstaltet hat, wurde besonders von gewerkschaftlicher Seite darauf hingewiesen, dass Armut auch in einer relativ finanzkräftigen Stadt wie Marburg eine deutliche Stimme braucht. Aktive Sozialpolitik trägt dazu bei, dass niemand an den Rand der Gesellschaft gedrängt wird, dass allen die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird.
Die Marburger Linke fordert:
- Maßnahmenplan gegen Armut;
- Einstellung von Armutsbeauftragten;
- Durchführung einer Armutskonferenz;
- kostenlose Nutzung des ÖPNV mit dem Stadtpass;
- soziale Wohnungs- und Baupolitik;
- Einführung eines Sozialtarifs für Strom- und Wasserversorgung bei den Stadtwerken, mit dem der Grundbedarf zu vergünstigten Konditionen ermöglicht wird;
- keine Stromsperren durch die Stadtwerke;
- Schutz vor Verlust der Wohnung im Zuge der Corona-Krise;
- Erstellung eines Sozialkompasses, der Menschen mit kleinem Geldbeutel Kontaktadressen für Hilfe und Beratung, für Einkauf, Kultur und Freizeit vermittelt;
- Unterstützung von sozialen Hilfseinrichtungen wie Tafel oder Kulturloge;
- Fortführung der städtischen Kleiderkammer.
Kindertagesstätten und Schulen
Bildung vom Kleinkindalter an ist ein Menschenrecht und kann sozialen Benachteiligungen entgegenwirken. Die Geburtenzahlen in Marburg steigen seit Jahren. Der Mangel an Plätzen in Kindertagesstätten ist bekannt, aber der Ausbau beziehungsweise die dringend nötige Sanierung vieler Kindertagesstätten kommen nur sehr schleppend voran. Vom 2017 großspurig angekündigten Bauprogramm für Kindertagesstätten (KiBaP) ist wenig zu spüren. Im Gegenteil, die Investitionen in Kitas liegen auf dem Niveau von 2011/2012. Vollmundig versprach zudem der Marburger Oberbürgermeister gebührenfreie Kindertagesstätten, schloss aber am Ende die unter Dreijährigen aus. Die Eltern wurden getäuscht. Die Personaldecke in den Kitas ist zu dünn, viele Erzieher*innen gehen absehbar in Rente, Nachwuchs fehlt, viele wechseln durch die belastenden Arbeitsbedingungen und aufgrund schlechter Bezahlung den Beruf. Die Corona-Bedingungen belasten Eltern und Erzieher*innen zusätzlich ganz erheblich.
Die Marburger Linke fordert:
- Zusätzliche Neubauten und dringliche bauliche Verbesserung im Bereich Kindertagesstätten und Schulen;
- Stärkung des pädagogischen Angebots;
- Gebührenfreiheit in Kitas auch für Kinder unter drei Jahren;
- Betreuungsschlüssel über das gesetzliche Minimum anheben;
- Aufstockung des Personals und Aufwertung der Berufe im Sozial- und Erziehungsbereich;
- kostenlose Beförderung aller Schüler*innen;
- kostenloses und gesundes Mittagessen an Schulen;
- pädagogische Begleitung auch bei Homeschooling; die digitale Form des Lernens kann den sozialen Ort Schule nicht ersetzen;
- volle Lernmittelfreiheit und Begrenzung der Ausgaben der Eltern für Lernmittel wie Sportsachen, Bastelmaterial usw.;
- kostenlose Betreuungsangebote durch Fachpersonal über das Unterrichtsangebot hinaus; Ausweitung der Schulsozialarbeit;
- weiterführende schulische und berufliche Integrationsmaßnahmen für Geflüchtete und Schüler*innen mit entsprechendem Bedarf;
- Bereitstellung eines öffentlichen Freizeitangebots für Jugendliche; Einrichtung von Streetworkern im einwohnerstärksten Stadtteil Richtsberg, aber auch in der Kernstadt anstelle von Verboten und Sanktionen.
Inklusion und Barrierefreiheit
Inklusion bedeutet, dass alle Menschen gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Kinder, alte oder von Armut betroffene Menschen, Menschen mit Beeinträchtigungen oder Migrationshintergrund haben oft keine Lobby. Sie brauchen Anerkennung, aber auch Raum für Entfaltung, der durch Unterstützung geschaffen werden kann.
Die Marburger Linke fordert:
- Voraussetzungen schaffen für inklusive Beschulung und Teilhabeassistenz;
- Sicherung und Finanzierung der Leistungen aus dem Bundesteilhabegesetz – „Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung“ sowie der Leistungserbringer (Träger von Diensten und Einrichtungen) und Ausarbeitung eines Aktionsplans zur Umsetzung;
- vermehrter Einsatz von leichter Sprache in Verwaltungstexten (Briefe, Wahlunterlagen, Info-Dienste) und barrierefreier Zugang im Internet (z. B. Unterlagen des Stadtparlaments);
- zügiger barrierefreier Umbau der Bushaltestellen und des Südbahnhofs;
- Berichtsrecht des Behindertenbeirats an das Stadtparlament;
- Altersarmut bekämpfen; finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten offensiv und positiv kommunizieren; niedrigschwellige Projekte wie „Gemeindeschwester 2.0“ oder „In Würde teilhaben“ verstetigen.
Soziale Initiativen/Gemeinwesenarbeit
Es ist gut, dass die Stadt aktuell die systembedingten Mehrkosten durch die Eindämmungsmaßnahmen für Covid-19 puffert. Doch längerfristig wissen die sozialen Dienstleister nicht, wie sie sich weiter finanzieren sollen. Hier muss die Stadt ein Angebot machen, z. B. durch geeignete Räumlichkeiten, die auch unter Pandemie-Bedingungen soziales Leben im Stadtteil ermöglichen. Denn die Initiativen erreichen mit ihren Angeboten viele Menschen und tragen so zum solidarischen Miteinander bei. Deshalb ist statt einer nur wirtschaftsorientierten Maßnahmenpolitik eine Politik nötig, die sich für gesellschaftliche und soziale Belange einsetzt und gemeinnützige Einrichtungen und Projekte schützt und fördert.
Sport
Besonders der Breitensport bietet hervorragende Möglichkeiten, die Gesundheit zu erhalten, soziale Kompetenzen zu stärken und Menschen unterschiedlicher Herkunft zu integrieren. Hierfür ist es notwendig, ein breites und gut aufgestelltes Raumangebot sowohl an überdachten Sportstätten als auch an Freiluftanlagen zu schaffen.
Mit Sport- und vor allem Schwimmstätten für den Breitensport und die Gesundheitsprävention ist Marburg seit Jahren unterversorgt. Als Alternative zu den bestehenden Fitnessstudios ist ein öffentliches Sport- und Gesundheitszentrum in Zusammenarbeit mit den Sportvereinen zu entwickeln, das als ein öffentlicher Treffpunkt für viele Sportler*innen genutzt werden kann. Die bestehenden Sporthallen sind zeitlich voll belegt. Die Corona-Krise verschärft das Problem noch erheblich.
Die Marburger Linke fordert:
- Bau einer neuen Sporthalle an einem zentralen Schulstandort;
- Integration eines einfachen Hallenbads mit 50-m-Becken unter einer der Hallen;
- längere Öffnungszeiten im Hallenbad Wehrda;
- Schaffung eines öffentlichen Sport- und Gesundheitszentrums;
- Barrierefreiheit im Sport fördern.
Gleichstellung verwirklichen
Das Gebot des Grundgesetzes „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ ist immer noch nicht verwirklicht. Frauen werden strukturell diskriminiert, erhalten für gleichwertige Arbeit eine geringere Bezahlung. Die Marburger Linke strebt eine Gesellschaft an, in der patriarchale Strukturen überwunden werden. In diese Richtung können auch auf kommunaler Ebene Schritte unternommen werden.
Die Marburger Linke fordert:
- Frauenquote von 50 Prozent in allen kommunalen Gremien, quotierte Besetzung von Führungspositionen der Verwaltung und der städtischen Beteiligungsgesellschaften;
- Aufwertung der überwiegend von Frauen ausgeübten Tätigkeiten wie z. B. Reinigungsbereich, Pflege oder Kinderbetreuung;
- Ausreichende Finanzmittel für Vereine und Institutionen, die Fraueninteressen vertreten, insbesondere Schutz von Frauen vor Gewalt, wie Frauenhaus oder Frauennotruf u.a.;
- Das Konzept „Dialog und Vielfalt“ umsetzen; queere Lebensformen gleichberechtigt neben traditionelle Formen stellen.
Vielfalt erhalten – Geflüchtete aufnehmen
Marburg ist eine weltoffene Stadt der kulturellen, sprachlichen und weltanschaulichen Vielfalt. Geflüchtete, die durch Krieg und Verfolgung oder aufgrund der weltweiten Klimakrise ihre Heimat verlassen mussten, finden in Marburg einen Ort der Zuflucht. So hat es das Stadtparlament mehrfach bekräftigt. Alle Formen des Rassismus, Neofaschismus und Antisemitismus müssen entschieden bekämpft werden.
Die Marburger Linke fordert:
- kommunales Wahlrecht für alle Menschen, die seit drei Jahren hier wohnen;
- Unterstützung und Stärkung des Ausländerbeirats;
- die Ausländerbehörde als Ansprechpartner für die Ausländer*innen besser finanzieren und mit mehr fachlich qualifiziertem Personal ausstatten;
- Runden Tisch Integration wieder aktivieren, u.a. als eine Anlaufstelle, die mögliche Beschwerden prüft, z. B. bei Diskriminierung und racial profiling;
- Initiativen, die sich für Geflüchtete und ein solidarisches Miteinander einsetzen, wie „200 nach Marburg“ oder „Seebrücke Marburg“ unterstützen und den Beschluss des Stadtparlaments zur Aufnahme von Geflüchteten umsetzen;
- mehr Beschäftigte mit Migrationshintergrund in der Stadtverwaltung und den Tochtergesellschaften.
Unsichere Beschäftigung, Minijobs und Niedriglöhne sind auch in Marburg an der Tagesordnung. Immer mehr Menschen kommen mit ihrem Gehalt nicht mehr über die Runden. Die wirtschaftliche Krise in Folge der Corona-Pandemie bedroht insbesondere Menschen in prekären Lebenslagen. Betriebsschließungen wie die der Kabelfabrik Monette oder drohende Insolvenzen verstärken die Arbeitslosigkeit. Das Hilfsprogramm der Stadt war eine erste überwiegend richtige Antwort, aber weitere Maßnahmen zur Abmilderung der sozialen Folgen der Pandemie sind notwendig.
Die Universitätsstadt Marburg sollte als Arbeitgeberin ein Vorbild sein. Diesem Anspruch wird sie in vielen Bereichen nicht gerecht. SPD, Grüne und CDU überführten Anfang der 2000er Jahre gegen den anhaltenden Widerstand der linken Fraktion die Stadtwerke in eine privatrechtliche Organisationsform. Aufgabenbereiche wurden ausgegliedert und Löhne gesenkt. Zum Teil wurde diese Politik korrigiert, auch nach heftiger Kritik der Marburger Linken. So gilt für die Marburger Busfahrer*innen wieder der öffentliche Tarifvertrag (TV-N), die Marburger Altenhilfe ist wieder in die Tarifbindung zurückgekehrt und einige Geschäftsbereiche der Marburger Entsorgungsgesellschaft sind wieder an den städtischen Eigenbetrieb DBM zurückgegeben worden. Aber noch immer liegt einiges im Argen. Bei der Marburger Service-Gesellschaft, einer Tochter der städtischen Altenhilfe, müssen Angestellte für weniger als 13 Euro pro Stunde arbeiten. Hier ist Altersarmut vorprogrammiert.
Die Marburger Linke fordert:
- Schaffung eines öffentlich-städtischen Beschäftigungssektors zur Abmilderung der sozialen Folgen der Corona-Pandemie;
- Erhöhung des Mindestlohns bei der Stadt und ihren Tochtergesellschaften auf 13 Euro;
- das Auslagern von Aufgaben und Personal der Stadt sowie ihrer Tochtergesellschaften stoppen, personelle Unterbesetzung durch Neueinstellungen beseitigen;
- für die Beteiligungsgesellschaften der Stadt Gemeinwohl-Bilanzen aufstellen;
- Wirtschaftsförderung der Stadt unter Gesichtspunkten des sozial-ökologischen Umbaus;
- Förderung von genossenschaftlichen Projekten der regionalen Wirtschaft.
Sozial-ökologisches und solidarisches Wirtschaften
Die Stadt Marburg hat auf Druck der Klimabewegung den Klimanotstand ausgerufen und den Klimaaktionsplan 2030 entwickelt, auch mit Unterstützung der Marburger Linken. Den Beschlüssen müssen umgehend konkrete Taten folgen, auch im Bereich der Stadt und ihrer Tochtergesellschaften. Die öffentliche Wirtschaftstätigkeit der Stadt darf nicht allein betriebswirtschaftlichen Kennziffern folgen, sondern muss ein Beitrag für einen sozial-ökologischen Umbau unserer Wirtschaft sowie zugleich am Wohl der dort arbeitenden Menschen ausgerichtet sein. Für die Marburger Linke muss Klimaschutz immer auch sozial ausgestaltet sein. Es darf nicht zugelassen werden, dass Reiche das Klima verpesten und Arme mit den Umweltfolgen, höheren Preisen und Mieten belastet werden. Eine Voraussetzung für das Gelingen der sozial-ökologischen Wende ist die Stärkung öffentlichen und genossenschaftlichen Eigentums.
Die Marburger Linke fordert:
- das Engagement der Stadtwerke Marburg beim Ausbau regenerativer Energie, wie etwa Windkraft und Fotovoltaik ausbauen und Verbraucher*innen beim Energieeinsparen unterstützen;
- Ausbau von Mieter*innen-Strommodellen sowie eine dauerhafte Förderung und formlose Anmeldung von „steckerfertigen Energieerzeugungsanlagen“ (Balkon-Solar-Kraftwerke beziehungsweise Mikro-PV-Anlagen) durch GeWoBau/Stadtwerke;
- die Einführung sozialer Energie- und Wassertarife (Energie-/Wasserbonus) bei den SWMR, die Energiesparen belohnen, einen kostenfreien Grundtarif ermöglichen und überdurchschnittlichen Verbrauch teurer machen;
- Ausbau der Windkraft durch die Stadtwerke auf dem Gebiet der Stadt Marburg mit einer Beteiligung der Bürger*innen an den Einnahmen;
- Förderung und Stärkung von Energiegenossenschaften in Bürger*innenhand zum Aufbau einer dezentralen, gemeinwohlorientierten, sozialen Energieversorgung durch regenerative Energien;
- Senkung des Wärmebedarfs durch warmmietneutrale energetische Sanierungen öffentlicher Wohnungsbaubestände, insbesondere der städtischen GeWoBau;
- eine Vergabeordnung, die öffentliche Aufträge an die Zahlung von Tariflöhnen, an das Engagement bei der Ausbildung und die Einhaltung sozialer sowie ökologischer Standards knüpft;
- besondere Berücksichtigung kleiner und mittlerer Unternehmen sowie von Handwerks- und Dienstleistungsbetrieben aus der Region bei öffentlichen Aufträgen;
- mittelfristig die Marburger Verkehrsgesellschaft (MVG) und Entsorgungsgesellschaften (MEG, MKG) in die Stadtwerke bzw. den Dienstleistungsbetrieb (DBM) zurückzuführen; langfristig die formale Privatisierung der Stadtwerke rückgängig zu machen;
- Bürger*innen an den Vorhaben und Entscheidungen der Stadtwerke Marburg sowie anderer Tochtergesellschaften der Stadt beteiligen (mehr Wirtschaftsdemokratie);
- städtischen Einsatz für eine Rückführung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM) in öffentliches Eigentum des Landes Hessen;
- Förderung von alternativen Projekten des solidarischen Wirtschaftens, wie der solidarischen Landwirtschaft, alternative Wohnprojekte oder andere experimentelle Ideen lokaler Bewegungen.
Angesichts steigender Erderhitzung und eines massiven Rückgangs der Biodiversität braucht die Stadt Marburg schnelle, wirksame und effiziente Maßnahmen in der Umwelt- und Klimapolitik. Initiativen wie die BI Verkehrswende, Fridays for Future oder das Klimabündnis fordern daher ein schnelles Umsteuern u.a. in den Bereichen Energie, Wohnen/Bauen, Verkehr sowie Landwirtschaft. Die Marburger Linke hat dem Klimaaktionsplan 2030, in den viele Vorschläge der Initiativen eingeflossen sind, zugestimmt.
Wir mischen uns ein: Um zu überprüfen, dass den Worten auch Taten folgen, hat die Marburger Linke als einzige Fraktion dafür gesorgt, dass über die Umsetzung des Klimaaktionsplans vierteljährlich öffentlich berichtet wird.
Wir werden auch weiterhin unsere fruchtbare Zusammenarbeit mit den Initiativen pflegen. Wir brauchen keinen grün gefärbten Kapitalismus, der weiterhin Gewinne privatisiert und die Lasten der Allgemeinheit aufbürdet. Wir stehen für ein besseres Leben für alle und einen wirksamen Schutz unserer Lebensgrundlagen – für eine Stadt mit Zukunft.
Wie die Sozialpolitik ist auch die Klimapolitik eine Querschnittsaufgabe. Vorschläge finden sich in diesem Programm auch in den Kapiteln zu Bauen und Wohnen, Wirtschaft, Verkehr und Finanzen.
Eine linke Umweltpolitik wird wirtschaftlich und ökologisch Notwendiges immer mit der sozialen Frage verknüpfen. Umwelt- und Klimaschutz nutzt nur dann allen, wenn er auch bezahlbar ist. Das bedeutet, dass diejenigen, die den größten Schaden verursachen, auch die höchsten Kosten tragen und diejenigen, die am wenigsten Mittel zur Verfügung haben, am wenigsten zahlen.
Die Marburger Linke fordert:
- verstärkte Begrünung und Beschattung öffentlicher Flächen, vom Schulhof über Dächer, Spielplätze, Aufenthaltsorte für Jugendliche und Bushaltestellen;
- die Erarbeitung und Umsetzung eines Klima- und Begrünungskonzepts für die Marburger Oberstadt;
- die Erarbeitung und Umsetzung einer städtischen Richtlinie zur Reduktion von öffentlicher und privater Lichtverschmutzung zum Schutz von Menschen, Tieren und Pflanzenwelt;
- regelmäßige Kontrolle und Ahndung von Bodenverseuchung durch Pestizide, Salz, Schwermetalle und andere Bodenschadstoffe;
- ökologische, zurückhaltende und geräuscharme Grünpflege;
- Schutz des Grüner Wehrs;
- Stadtgärten bzw. Felder in Stadtnähe zur Bewirtschaftung durch Bürger*innen;
Die Marburger Linke fordert für eine gute Zusammenarbeit in der Region:
- Ausbau regionaler Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung regionaler Produkte durch die (Wieder-)Ansiedlung regionaler (und kommunaler) Schlachthöfe, Molkereien und Getreidemühlen zu Preisen, von denen die Landwirt*innen gut leben können;
- kostenfreie, gesunde und weitestgehend regionale Verpflegung an allen Schulen, Kindertagesstätten und (öffentlichen) Kantinen;
- dezentrale, gemeinwohlorientierte Energie- und Wasserversorgung.
Marburg ist nach wie vor eine Stadt, in der das Auto den Verkehr dominiert. Das verursacht nicht nur massive Umweltschäden, sondern grenzt auch viele Menschen aus, die auf einen Pkw verzichten müssen, weil sie zu jung, zu alt oder behindert sind, oder weil sie sich kein eigenes Auto leisten können. Da Wohnraum dort am günstigsten ist, wo die Umweltbelastungen durch den motorisierten Verkehr am stärksten sind, leiden Menschen mit geringem Einkommen besonders darunter. Die Marburger Linke verfolgt hingegen eine echte sozial-ökologische Verkehrswende mit einer Mobilitätsgarantie für alle Menschen. Ob in der Innenstadt oder in den Außenstadtteilen, ob in der morgendlichen Rush Hour, spätabends oder an den Wochenenden, ob auf dem Fahrrad, im Bus oder zu Fuß: In der Stadt der Zukunft sollen alle Marburger*innen sicher, ökologisch, attraktiv und kostenfrei von A nach B kommen.
Für eine klimafreundliche und soziale Stadt der Zukunft hat die Verkehrswende eine herausragende Bedeutung. Der Luftverschmutzung, dem Flächenverbrauch und dem dauernden Lärm durch den motorisierten Verkehr setzt die Marburger Linke ein Verkehrskonzept entgegen, das klimaschädliches Verhalten teuer, ökologische Mobilität hingegen günstig und für alle Menschen möglich macht.
In den nächsten Jahren will die Stadt eine Gesamtstrategie für Verkehr und Mobilität entwickeln, die bis zum Jahr 2035 gelten soll. Die Marburger Linke wird ihre Vorstellungen einer humanen Verkehrspolitik in diesen Prozess einbringen. Dazu zählt der massive Ausbau des ÖPNV sowie des Rad- und Fußverkehrs auf Kosten des Raumes und der Privilegien des Autoverkehrs. Pläne, durch Umgehungsstraßen oder einen unbezahlbaren „Behring-Tunnel“ den Pkw-Verkehr zusätzlich zu fördern, werden auf den entschiedenen Widerstand der Marburger Linken stoßen.
Die fahrradfreundliche Stadt
Der Fahrradverkehr ist der wichtigste Baustein für den Verkehr innerhalb der Stadt. Im Jahr 2020 haben sich so viele Menschen wie noch nie Fahrräder gekauft. In Marburg nutzen inzwischen Tausende das Fahrradleihsystem von Studierendenschaft und Stadt. Solche Projekte sollen weiter gestärkt werden. Während die SPD/CDU-Koalition sträflich wenig Geld für den tatsächlichen Ausbau der Fahrradinfrastruktur ausgegeben hat, fordert die Marburger Linke:
- mehr Fahrradwege und Fahrradstraßen, und wo immer möglich, eine bauliche Trennung von Rad-, Fuß- und Autoverkehr;
- Bau eines Radschnellwegs in Nord-Süd-Richtung;
- Bau des im Radverkehrsplan vorgesehenen kürzesten Radwegs auf die Lahnberge, vom Alten Kirchhainer Weg durch den Wald zur Lahnberge-Mensa;
- erheblich mehr Ausgaben für Auf- und Ausbau einer fahrradfreundlichen Infrastruktur für den Personenverkehr (Abstellmöglichkeiten, Lade- und Reparaturstationen) und für den Auf- und Ausbau des fahrradbasierten Lieferverkehrs (Lastenräder, Fahrradkuriere, Anschaffung von Spezialrädern z. B. für handwerkliche Unternehmen).
Vorrang für Bus und Bahn
Für den Verkehr in die Außenstadtteile, den Landkreis und darüber hinaus braucht es einen massiv ausgebauten verlässlichen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), mit dem alle Menschen gut, gern und günstig fahren.
Notwendig sind vor allem zwei Maßnahmen, die die Attraktivität des ÖPNV gegenüber dem Pkw-Verkehr erheblich steigern würden:
- die Einführung einer Regio-Tram zusammen mit den Kreisen Marburg-Biedenkopf und Gießen, die in den Städten als Straßenbahn verkehren würde und die Gemeinden auf bestehenden, wiedereröffneten und neugebauten Bahnstrecken verbinden würde.
- ein Nulltarif im ÖPNV. Immer mehr Bevölkerungsgruppen (Schüler*innen, Beschäftigte, Studierende, Personal von Stadt und Land) können heute kostenlos Bus und Bahn fahren. Die Marburger Linke hat in der Vergangenheit durchgesetzt, dass der Fahrpreis für Stadtpassinhaber*innen halbiert wurde.
Jetzt verlangen wir den Nulltarif für Stadtpassinhaber*innen und für alle Nutzer*innen an Wochenenden als Schritte auf dem Weg zu einem Nulltarif für alle. Er wäre bezahlbar, wenn Marburg die Gewerbesteuer auf deutsches Durchschnittsniveau anheben würde.
Damit würde allen Menschen Mobilität und damit Teilhabe ermöglicht – unabhängig von ihrem Geldbeutel – und der Umstieg vom Pkw gefördert.
Die Marburger Linke fordert:
- Schnellbuslinien zwischen den Stadtteilen und den Bahnhöfen;
- verdichtete Taktzeiten: Garantie „unter 30 Minuten ins Stadtzentrum“;
- ausreichend Fahrscheinautomaten für Nah- und Fernverkehr sowie guter Beratungsservice am Haupt- und Südbahnhof;
- verlässliche Mitnahme für Rollstühle, Rollatoren, Kinderwagen sowie (Kinder-)Fahrräder;
- attraktive Busflotte mit Elektroantrieb, Klimatisierung und Federung;
- Aufbau eines Nachtbussystems durch die Stadtwerke, das alle Stadtteile, insbesondere am Wochenende, regelmäßig anbindet.
Fokus auf den Fußverkehr
Gerade die Fortbewegungsform, die alle Menschen am meisten nutzen, wird in Marburg am wenigsten beachtet. Superkurze Grünphasen, viel zu kleine Mittelinseln und ungesicherte Pfade machen das Zufußgehen an vielen Orten beschwerlich.
Die Marburger Linke fordert:
- Massive Förderung des Fußverkehrs;
- Stärkung der Belange des Fußverkehrs (und des langsamen Radverkehrs), insbesondere in Hinblick auf beeinträchtigte Personen, Ältere und Kinder, z. B. durch die Einstellung einer/eines Langsamkeitsbeauftragten;
- fußgängerfreundliche Gestaltung von Straßenzügen und Kreuzungen;
- Abflachung von Bordsteinkanten für die einfachere Überquerung mit Rollstuhl, Rollator, Kinderwagen oder Roller;
- Abschaffung der Mittelinseln zugunsten längerer Grünphasen für Fußgänger;
- Einrichtung von mehr Tempo-30-Zonen;
- Einrichtung von mehr verkehrsberuhigten Bereichen, auch nur für ÖPNV, Fuß- und Radverkehr.
Die wahren Kosten der Elektromobilität
Die Elektrifizierung des Verkehrs ist kein Heilsbringer. Die wahren Kosten der Elektromobilität sind enorm. Vielerorts werden die notwendigen Rohstoffe unter menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut und verursachen dauerhafte Umweltschäden. Die Herstellung von Elektroautos und der Ausbau einer Infrastruktur für E-Autos fordern zudem wertvolle Flächen in der Stadt. Es gilt: Eine sozial-ökologische Verkehrswende ist mehr als eine ‚Antriebswende‘.
Die Marburger Linke fordert:
- eine Elektrifizierung nur solcher Verkehrsmittel, die ökologisch und solidarisch genutzt werden, also Busse, gemeinschaftlich genutzte Autos, Dienstfahrzeuge der Stadt oder von Handwerksunternehmen, Leih- und Lastenfahrräder;
- eine Ladeinfrastruktur, die die Belange von Fußgänger*innen beachtet: keine Ladesäulen auf dem Fußweg;
- Tempo 30 in der Innenstadt und in Wohngebieten;
- geschwindigkeitsreduzierende Umbauten;
- zusätzliche Variotafeln zur Anzeige der Geschwindigkeit;
- mehr wirksame Geschwindigkeitskontrollen auf den Straßen, aber auch in Fußgänger*innenzonen.
Parks statt Parken
Der Pkw-Verkehr fordert zu viel versiegelte Fläche. Statt unendlicher Autospuren, Parkhäuser und für Fußgänger*innen unüberwindbarer Kreuzungen dominieren im Marburg der Zukunft
- sichere Fußwege, auf denen Kinder, Ältere und Menschen mit Beeinträchtigungen sich frei bewegen können;
- Spielflächen, Parks und Freiluftgastronomie;
- sichere und überdachte Fahrradabstellplätze auch für Anhänger oder E-Bikes.
Wohin mit der B 3a?
Die Stadtautobahn (B 3a) ist mit ihren Lärm- und Feinstaubemissionen eine Belastung für fast alle Menschen, die in Marburg leben, wohnen oder arbeiten. Um Lärm und Abgase zu verringern, fordert die Marburger Linke:
- kurzfristig eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h und mittelfristig auf 50 km/h für Pkw und Lkw sowie lärmreduzierende Maßnahmen;
- langfristig eine Umgestaltung des Areals im Sinne einer sozial-ökologischen Verkehrswende.
Umsteigen leicht gemacht
Um den Umstieg auf ökologische Verkehrsmittel zu erleichtern und diese einfach einmal auszuprobieren, gibt es Programme für den zeitweisen Umstieg: Gegen zeitweise Abgabe des Führerscheins oder Stilllegung des eigenen Pkw gibt es attraktive Mobilitätsgutscheine für den RMV, für den Fahrrad-Erwerb, die Fahrradreparatur, den Fahrradverleih sowie für Lastenräder etc.
Marburg gehört als Universitätsstadt zu den hessischen Städten mit den höchsten Mieten. Für Haushalte mit einem geringen Einkommen, Studierende oder Familien, kommt es einem Lottogewinn gleich, hier eine bezahlbare Wohnung zu finden. Die Marburg-Umfrage 2017 brachte zutage: In Marburg sieht man die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum als äußerst kritisch an. Somit rangiert die Forderung nach entsprechendem Wohnungsbau und nach Sanierung von Wohnraum ganz oben auf der Liste der wichtigsten Zukunftsaufgaben.
Seit Jahren setzen die Stadtregierungen, früher SPD und Grüne (bis 2016), heute SPD, CDU und BfM beim Wohnungsbau vor allem auf Privatinvestoren, die vorwiegend hochpreisigen Wohnraum errichten, während der Bau von Wohnungen mit Mietpreisbindung und für den kleineren Geldbeutel weiterhin stark hinterherhinkt. Relativ unbekümmert veräußerten bislang die Stadtoberen öffentlichen Grund und Boden. Nur durch massiven öffentlichen Protest konnte der Verkauf des Afföllergeländes, der letzten größeren innerstädtischen Fläche, an einen privaten Großinvestor verhindert werden.
Zwar wurde auf Drängen der Marburger Linken beschlossen, dass bei privaten Bauprojekten ein Anteil Sozialwohnungen gebaut werden muss, aber diese Sozialquote liegt bei nur 20 Prozent und wird immer wieder unterlaufen. Mit geringen Schwankungen suchen über die Wahlperiode hinweg rund 950 Haushalte Sozialwohnungen. Die städtische GeWoBau kommt ihrem Auftrag nur unzulänglich nach, wenngleich seit Mitte 2020 einige Aktivitäten im Waldtal und im Stadtwald – also in Stadtteilen, in denen sich ohnehin der soziale Wohnungsbau konzentriert – erfolgten. Gegenüber der GWH, einer Wohnungsbaugesellschaft, in der das Land Hessen durchaus Einfluss hat, mussten sich die Mieter*innen am Richtsberg mit massivem Widerstand gegen Mieterhöhungen im Rahmen von energetischer Sanierung zur Wehr setzen.
Immer stärker konzentriert sich Wohnraum in den Händen von wenigen Großinvestoren. Zudem ist auch in Marburg ein Prozess der sozialen Verdrängung (Gentrifizierung) zu beobachten mit dem Ergebnis steigender Mieten. Hinzu kommt die Umwandlung einzelner Stadtteile, wie zum Beispiel Dagobertshausen, in einen Schwerpunkt der Gastronomie und Freizeitevents. Der Skandal um das „Immobilien-Flipping“ 2019 hat sogar betrügerische Machenschaften auf dem Immobilienmarkt in Marburg zutage gebracht.
Gegenüber der Landesregierung muss sich die Stadt für einen wirksamen Mietendeckel einsetzen und eigene kommunale Schritte in diese Richtung entwickeln. Grundsatz der Wohnungspolitik muss sein, die Spekulation mit profitträchtigen Investitionen in das „Betongold“ deutlich einzuschränken.
Die früheren Mehrheiten im Stadtparlament, seien es vormals SPD und Grüne oder heute SPD und CDU, weigerten sich bislang beharrlich, einen Stadtentwicklungsplan aufzustellen. Das führte zu einem Flickenteppich und zu einer ungleichen Entwicklung in der Stadt, verhinderte eine soziale Integration und begünstigte private Investoren. Das geplante Neubaugebiet am Hasenkopf mit ehrgeizigen 30 Prozent sozialem Wohnungsbau kommt durch den stockenden Kauf von Grundstücken nicht voran. Am Rotenberg ist ein entsprechendes Projekt in weite Ferne gerückt.
Oberster Grundsatz der Marburger Linken ist: Die Stadt muss sich – vor allem durch die städtische GeWoBau – verstärkt für einen Wohnungsbau im unteren, sozial verträglichen Preisniveau einsetzen. Diese Wohnungen sollen mit nachhaltigen energetischen und ökologischen Standards errichtet werden und in die Stadt integriert sein. Grundlage ist ein Stadtentwicklungsplan, der die Stadt sozial zusammenführt und im Diskurs mit der Stadtgesellschaft und ihren Initiativen erstellt wird, wie dies auch die Gruppe Lokale Agenda seit Langem fordert.
Die Marburger Linke fordert:
- kein weiterer Verkauf von öffentlichen Flächen oder Wohnungen an Private;
- aktive Bodenbevorratung durch die Stadt oder die GeWoBau;
- konsequentes Einhalten der Sozialquote, Erhöhung der Quote auf mindestens 30 Prozent ab 10 neuen Wohnungen, harte Sanktionen bei Nichteinhaltung bzw. Anreize zur Einhaltung;
- verstärkte Wahrnehmung des städtischen Vorkaufsrechts, Abwendungsvereinbarungen;
- warmmietenneutrale energetische Sanierung öffentlicher Wohnungsbestände;
- Einrichtung von Beiräten der Mieter*innen vor allem bei den Wohnungsbaugesellschaften;
- Milieuschutzsatzungen für einzelne Stadtteile vor allem in der Kernstadt, Verhinderung von Zweckentfremdung;
- Offensive/Masterplan für den sozialen Wohnungsbau unter Einbeziehung von Mehrgenerationenhauskonzepten und der Belange von Studierenden und Wohnsitzlosen;
- die Vorhaben auf dem Temmler-Gelände, in der Beltershäuser Straße und auf dem Afföller-Gelände müssen in einem demokratischen Diskurs in der Stadtgesellschaft entwickelt werden;
- Prüfung der Aufbauten für Wohnungsbau zu sozial verträglichen Mieten auf großen Flachbauten wie Einkaufszentren;
- Wohnumfeldgestaltung, Stadtbegrünung Innenstadt (Erwin-Piscator-Haus, Ketzerbach, Richtsberg, Alter Botanischer Garten, Dachbegrünung);
- Schaffung und Gestaltung von öffentlichen Flächen, Plätzen mit Freizeitqualität;
- Entwicklung von Mobilitätskonzepten für Stadtteile ohne motorisierten Individualverkehr;
- Entwicklung eines Stadtteilkonzepts für den Richtsberg;
- Aufwertung des Denkmalschutzes;
- Einrichtung eines Wohnungsbau-Beauftragten;
- Zusammenfassung aller Komponenten in einem Stadtentwicklungsplan.
Die Universität ist mit rund 24.000 Studierenden und etwa 4.500 Beschäftigten die zweitgrößte Arbeitgeberin in Marburg. Studierende machen fast ein Drittel der Marburger Bevölkerung aus. Mit ihren zahlreichen Alt- und Neubauten prägt und verändert die Universität das Stadtbild.
Aufgrund unzureichender Landesgelder ist die Universität seit Jahren in eine bedenkliche Schieflage geraten, die sich mittelfristig auch negativ auf die ganze Stadt auswirken könnte. Prekäre Arbeitsverhältnisse und verschlechterte Studienbedingungen wirken sich nicht nur negativ auf die Entwicklung der Kaufkraft, sondern auch auf das gesamte soziale und kulturelle Leben aus, das auch von den Angehörigen der Universität geprägt wird. Das politische, soziale und ökologische Engagement vieler Mitglieder der Universität ist ein wichtiger Faktor für den sozialen Fortschritt in Marburg. Initiativen wie „Afföller retten“ zeigen das.
Als Institution hat die Universität aber auch Verpflichtungen gegenüber der Stadt für den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur, die sie oft unzureichend wahrnimmt.
Die Corona-Krise hat die Bedingungen für Studierende nochmals enorm erschwert: Die Zahl der Studienabbrecher*innen steigt, Verdienstmöglichkeiten zur Finanzierung des Studiums sind vielerorts weggefallen. Erstsemester finden nur schwer einen Zugang zum Studium oder ihren Kommiliton*innen; Seminare und Vorlesungen finden häufig nur noch digital statt. Studienbetreuung gibt es weitgehend per E-Mail, die Bibliothek ist schwerer nutzbar. Auch studentische Initiativen können fast nur noch digitale Veranstaltungen durchführen. Ein erfolgreiches Studium ist so für viele unter diesen Bedingungen kaum mehr möglich.
Umso wichtiger ist es gerade aktuell, Errungenschaften wie demokratische Wissenschaft und Gleichberechtigung zu verteidigen. Themen wie Friedensforschung, Klimawende, solidarische Wirtschaft und Gesellschaft gehören auf den Lehrplan.
Die Marburger Linke fordert:
- rasche und unbürokratische Unterstützung von Studierenden bei finanziellen Notlagen; Auflegung eines Soforthilfeprogramms ohne Bedürftigkeitsprüfung;
- Schaffung von studentischem Wohnraum zu sozialen Mieten; Förderung der Selbstverwaltung von studentischem Wohnen;
- Einrichtung eines Studierendenbeirats unter Federführung des Studierendenparlaments und des AStA, um die Interessen der Studierenden in der Stadtentwicklung besser berücksichtigen zu können;
- stärkere Unterstützung studentischer Kultur- und Wohnprojekte in der Stadtpolitik;
- Öffnung des Bafög für alle Studierenden und Schüler*innen;
- städtische Unterstützung gegenüber der Landesregierung;
- Erhalt und Schutz des Alten und des Neuen Botanischen Gartens;
- umfassender Verzicht der Universität auf direkte oder indirekte militärische Forschung.
Als Universitätsstadt bietet Marburg ein vielfältiges Angebot an kulturellen Ereignissen: von Landestheater, Bachchor und Kunstverein über KFZ, Waggonhalle und Café Trauma bis Musikschule, KunstWerkStatt und internationalen Veranstaltungen. Diese Vielfalt von Institutionen und Initiativen, von traditionell bis selbstorganisiert, macht unter anderem den Reiz der Stadt aus.
Dennoch leidet die Kulturszene unter chronischer Geldnot. Manche Einrichtungen halten hauptsächlich über prekäre Beschäftigung und „Selbstausbeutung“ ihr oft anspruchsvolles Programm aufrecht. Die Sparorgie zu Beginn der Wahlperiode durch die neue großkoalitionäre Zusammenarbeit von SPD, CDU und BfM traf auch die Kultureinrichtungen empfindlich. Kultur wurde so zum politischen Spielball. Auch wenn der Kulturetat in den folgenden Jahren wieder gestiegen ist, bleibt er hinter dem vor Jahren anvisierten Ziel von 5 Prozent des Haushalts zurück. Die Marburger Linke sagt: Kultur braucht eine stabile und verlässliche finanzielle Grundlage. Deshalb spricht sich die Marburger Linke für einen Vorrang der institutionellen Förderung vor der Projektförderung aus.
Die kulturelle Versorgung der Bevölkerung ist mehr als ein Aushängeschild der Stadt und mehr als die touristischen Events des Magistrats oder von Investoren. Sie ist vielmehr eine der Grundlagen für ein friedliches und solidarisches Zusammenleben in der Stadtgesellschaft. Sie stellt sich somit auch gegen rassistische und antidemokratische Tendenzen. Deshalb dürfen sich die kulturellen Angebote nicht nur an ein bürgerlich-akademisches Publikum richten. Eine „Kultur für alle“ muss die Vielfalt der Lebens- und Arbeitskulturen in Marburg aufgreifen und ihnen offenstehen. Die Einrichtung der Kulturloge verweist auf die Menschen in Marburg, die sich die Teilhabe nicht leisten können. Kultur für alle muss auch die Kulturen und die Teilhabe von Geflüchteten und Migrant*innen umfassen.
Die Marburger Linke fordert:
- Anhebung des Kulturetats auf 5 Prozent des Haushalts;
- Ausweitung der Teilhabe an kulturellen Einrichtungen über den Stadtpass;
- Fördermöglichkeiten für Soloselbstständige;
- Modellprojekt gegen prekäre Beschäftigung im Kulturbereich;
- Förderung der Kinokunst;
- Förderung der Club-Kultur;
- bessere Ausfinanzierung der Stadtbücherei;
- Förderung kultureller Angebote für Kinder und Jugendliche;
- Bereitstellung von günstigen Ausstellungsräumen für bildende Künstler*innen;
- Neuer Standort für das Landestheater in der Kernstadt;
- Dezentralisierung und Ausweitung der Kulturangebote in den Stadtteilen;
- Unterstützung der kulturellen Angebote von Migrant*innen;
- Einrichtung von Freiräumen ohne Konsumzwang;
- Bau eines Museums zur Stadtgeschichte in der Innenstadt.
Die Vorschläge der Marburger Linken sind machbar und finanzierbar. Auch in Marburg gilt: Wer den Reichen und Unternehmen nichts nimmt, kann dem Gemeinwesen und den Ärmeren nichts geben.
Der Gewerbesteuerhebesatz der Stadt liegt weiter unter dem Durchschnitt von mit Marburg vergleichbaren Städten in Deutschland. Durch eine Erhöhung des Hebesatzes auf 440 Punkte würden in den kommenden Jahren mehr Mittel zur Finanzierung des städtischen Haushalts zur Verfügung stehen.
Diese Erhöhung ist von den Unternehmen gut zu verkraften, weil die Gewerbesteuer mit der Einkommenssteuer verrechnet werden kann und ein Teil des Ertrages steuerfrei ist. Nur ungefähr ein Fünftel der Unternehmen in Marburg zahlt überhaupt Gewerbesteuer. Über 80 Prozent des Gewerbesteueraufkommens wird von fünf Großunternehmen der Pharma- und Versicherungsbranche aufgebracht, die derart hohe Gewinne einfahren, dass die Steuererhöhung kaum auffällt. Auch die Corona-Pandemie scheint an der Profitabilität dieser Unternehmen nichts zu verändern.
Die weiteren Auswirkungen der Corona-Pandemie werden mittelfristig auch die Stadt Marburg erreichen. Steuereinnahmen vom Bund drohen wegzubrechen, andere Einnahmen auszubleiben. Hinzu kommen wachsende Aufgaben im Sozial- und Gesundheitsbereich, die einen weiteren Mitteleinsatz notwendig machen. Bund und Land haben erste Maßnahmen ergriffen, aber nicht alle Verluste werden kompensiert. Bereits vor Corona waren die Kommunen drastisch unterfinanziert. Die Schuldenbremse im Bund und Land wurde mit fatalen Folgen auf die Städte und Gemeinden abgewälzt. Oftmals werden Kommunen in einen ruinösen Wettbewerb um die niedrigsten Sätze bei der Gewerbesteuer oder zur Privatisierung öffentlicher Aufgaben getrieben. Wenn jetzt nicht umgesteuert wird, drohen dramatische Kürzungsrunden in den Kommunen in den nächsten Jahren, die die soziale Spaltung weiter vorantreiben. Auch Marburg ist keine Insel der Glückseligen.
Städte, Gemeinden und Landkreise müssen durch Steuererhöhungen für Superreiche, Banken und Konzerne auf Bundesebene auskömmlicher finanziert werden. Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer käme über das Land Hessen auch dem Haushalt der Stadt Marburg zugute.
Die Marburger Linke fordert:
- Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes auf 440 Punkte;
- Einführung einer Übernachtungsabgabe;
- Wiedereinführung der Vermögenssteuer im Bund;
- Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe im Bund, um die Folgen der Corona-Pandemie zu bewältigen.
Demokratie lebt von Bürgerbeteiligung. In Marburg gibt es eine lebendige und engagierte Stadtgesellschaft. Zahlreiche Initiativen setzen sich für Belange in ihrem Stadtteil oder für die Stadtentwicklung insgesamt ein. Die Marburger Linke hat dem Beteiligungskonzept der Stadt zugestimmt, aber von Anfang an davor gewarnt, dass die institutionellen Beteiligungsformen zu schwerfällig und zu wenig transparent arbeiten. Der neu eingerichtete Beteiligungsbeirat tagt nicht öffentlich. Und natürlich heißt Demokratie für die Marburger Linke auch, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen.
Zu einer demokratischen Stadtgesellschaft gehört auch ein solidarisches Miteinander aller Einwohner*innen. Das bedeutet, im Alltag auf die Bedürfnisse aller Rücksicht zu nehmen und mögliche Konflikte in erster Linie ohne Repressionen mit Mitteln des Ausgleichs und der Verständigung zu lösen.
Die Marburger Linke fordert:
- Beteiligungsgremien sollen öffentlich tagen;
- mehr Stadtteilkonferenzen und Bürger*innenversammlungen zu aktuellen Fragen;
- Wiedereinführung der Einwohnerfragestunde;
- Stärkung der Ortsbeiräte durch Antragsrecht an das Stadtparlament und durch Ausstattung mit einem eigenen Budget;
- Aufwertung des Kinder- und Jugendparlaments;
- Stärkung des Ausländerbeirats;
- Einführung eines Studierendenbeirats;
- Entwicklung einer Informationsfreiheitssatzung, um Bürger*innen einen Einblick in Dokumente der öffentlichen Verwaltung zu ermöglichen;
- Abschaffung der Stadtpolizei und Rückführung in die Ordnungspolizei;
- Verhinderung von racial profiling durch Sensibilisierung der Beschäftigten für Probleme des Alltagsrassismus, durch Sanktionen, durch Weiterbildung und durch Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle für Bürger*innen; Zusammenarbeit mit dem Ausländerbeirat;
- Verhinderung von social profiling und Vertreibung von Menschen aus dem öffentlichen Raum (z. B. Jugendliche oder Trinker*innen) ohne besonderen Grund (z. B. ruhestörender Lärm);
- Verstärkter Einsatz für den demokratischen Austausch im Rahmen von Städtepartnerschaften auch mit Städten, die unter den Auswirkungen militärischer Konflikte leiden, wie Afrin oder Kobane in Syrien.
Die Marburger Linke setzt sich in Bündnissen und durch parlamentarische Initiativen dafür ein, dass Marburg eine Stadt des Engagements für Frieden, für Bürgerrechte und Menschenwürde ist, frei von Diskriminierung und Verfolgung. Eine konsequente antifaschistische Haltung, eine Ächtung von Kriegsverherrlichung, die Ablehnung von Militäreinsätzen und die konsequente Suche nach gewaltfreien Konfliktlösungen ist Leitgedanke auch kommunaler Politik der Linken.
Die Marburger Linke fordert:
- keine Werbung der Bundeswehr an Schulen; stattdessen friedenspolitische Schulprojekte;
- keine Werbung der Bundeswehr an öffentlichen Plätzen oder an Bussen;
- keine militärische Forschung an der Universität;
- Unterbindung öffentlicher politischer Aktivitäten extrem rechter Burschenschaften und anderer Organisation, die den Holocaust leugnen oder neofaschistische Tendenzen befördern;
- Fortführung einer kritischen Aufarbeitung der Geschichte und Würdigung des antifaschistischen Widerstands von Personen und Verbänden auch in Marburg;
- verstärktes Engagement der Stadt für die Abschaffung von Atomwaffen und des Einsatzes militärischer Gewalt als politisches Mittel.
Die Aktivitäten der Marburger Linken zeigen, dass Druck von links Wirkung entfalten kann. Aus der Opposition heraus haben wir viele Anträge in der Stadtverordnetenversammlung durchsetzen können.
Zu den Erfolgen gehört unter anderen die Erhöhung der Zuschüsse für den Stadtpass, die Einführung einer Sozialquote im Wohnungsbau, die regelmäßige Berichterstattung über den Klimaaktionsplan, die einhellige Forderung nach einer Rückführung des UKGM in öffentliches Eigentum, der Beitritt zum Bündnis der Städte gegen Atomwaffen und die Ablehnung der Patenschaft mit der Bundeswehr in Form von „gelben Schleifen“.
Hinzu kommen kleinere und größere Maßnahmen zur Unterstützung des Rad- und Fußverkehrs, gegen Schottergärten und für mehr Begrünung in der Stadt. Der Beschluss für eine weitere Aufnahme von Geflüchteten („200 nach Marburg“), die Gedenkinstallation für die Opfer des Marburger Militarismus im Schülerpark und die Umbenennung des Walter-Voß-Weges (OB in der NS-Zeit) sind ebenfalls ein Ergebnis des Wirkens der Marburger Linken. Der Kürzungspolitik der SPD/CDU/BfM-Koalition 2016/2017 hat die Fraktion entschieden Paroli geboten und mit den Aktivitäten im Bündnis „Afföller retten“ mit dazu beigetragen, dass das öffentliche Grundstück nicht verkauft wurde. Ebenso waren Mitglieder der Fraktion im Bündnis gegen die Mieterhöhungen am Richtsberg aktiv.
Eine Stimme für die Marburger Linke wird immer eine Stimme für soziale Gerechtigkeit, bezahlbaren Wohnraum, für sozial-ökologische Mobilität, konsequenten Klimaschutz sowie für eine stärkere Gewinnbesteuerung der ansässigen Großunternehmen sein. Dafür sind wir auch bereit, uns wo immer nötig mit den Großunternehmen, Privatinvestoren und Mäzenen, kurz den Reichen und Mächtigen, anzulegen.
Zudem ist eine Stimme für die Marburger Linke auch ein Signal für eine andere Politik in Land und Bund. Sie stärkt alle diejenigen Kräfte, die sich für einen grundlegenden Politikwechsel, für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Demokratie einsetzen.